
Ingwer: Küchengewürz oder Tee – die Power-Knolle für jeden Tag
Ingwer ist mehr als ein kurzer Trend und im heimischen Gewürzregal schon lange angekommen. Auch in der Tasse ist die Wurzel eine echte Wohltat.
Mehr lesenDer Wurzelstock von Zingiber officinale ist sehr potent. Ihm werden viele heilende Kräfte zugesprochen, weshalb er auch in Deutschland immer beliebter wird. Die Einfuhrmenge hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt1. 2019 wurden rund 20.700 Tonnen Ingwerwurzel nach Deutschland importiert. Das entspricht einer Menge von 250 Gramm Ingwer pro Kopf. Eingesetzt wird er gegen Erkältung, Übelkeit, Magenschmerzen, Kopfweh, Muskelschmerzen und sogar bei Arthrose, Diabetes und Krebs soll Ingwer helfen. Doch hält das scharfe Gewürz all diese Versprechen? Wir haben einen kritischen Blick auf die Evidenzlage geworfen.
Wertvolle Informationen liefert eine Studie2 aus dem Jahr 2000, wo sich Pharmazeuten sowie Mediziner aus Korea und Vietnam insgesamt 109 Studien angeschaut haben. Dabei handelt es sich um die erste systematische Übersicht, die die Wirksamkeit von Ingwer bei verschiedenen Erkrankungen untersucht hat und dabei ausschließlich RCTs genutzt hat. RCT steht für Randomized Controlled Trial (zu Deutsch: randomisierte kontrollierte Studie) und diese gilt als die hochwertigste Form einer klinischen Studie.
Die Wissenschaftler:innen haben die Ergebnisse in sechs Bereiche eingeteilt. Wie wirkt Ingwer bei:
+ Ingwer hilft bei Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft. Ingwer kann auch die Übelkeit bei einer Chemotherapie (Chemotherapie-induzierter Nausea und Vomiting CINV) mildern.
- Ingwer hilft nicht bei Reiseübelkeit. Bei Schwindel konnte Ingwer auch keine Besserung der Symptome erzielen.
Zum Thema Übelkeit sagt Prof. Dr. Roman Huber, Internist und Leiter des Uni-Zentrums für Naturheilverfahren am Universitätsklinikum Freiburg: "Die wichtigsten Inhaltsstoffe des Ingwers sind die Scharfstoffe. Sie wirken auf unser Übelkeitsempfinden und gegen Erbrechen. Das ist die Hauptwirkung, die man bisher gefunden hat."3
+ Ingwer regt nachweislich die Verdauung an. Einige Studien (aus den insgesamt über 100) deuten darauf hin, dass Ingwer das Risiko für die Entstehung von Darmkrebs (kolorektales Karzinom) reduzieren kann.
+ Da das Thema Krebs in der Naturheilkunde oft kontrovers diskutiert wird, haben wir noch eine weitere Übersichtsarbeit mit 12 Studien4 hinzugezogen. Hier zeigen die Ergebnisse, dass insbesondere für die Ingwerbestandteile Gingerol und Shogaol im Labor Anti-Krebs-Effekte nachgewiesen werden konnten. Bislang handelt es sich aber noch um Ergebnisse aus der Grundlagenforschung, d.h. es gab keine Untersuchungen am Menschen.
- Eine positive Wirkung des Ingwers bei Patient:innen mit Reizdarmsyndrom konnte nicht nachgewiesen werden
+ Ingwer lindert Menstruationsbeschwerden. Auch Schmerzen im unteren Rücken verbesserten sich durch die Anwendung von Ingwer.
- Auf Kopf- und Muskelschmerzen hatte Ingwer keine relevante Wirkung.
"Ingwer als äußere Anwendung hat ein sehr gutes Potenzial", sagt Prof. Huber. "Es gibt den sogenannten Ingwerwickel, bei dem man Ingwerpaste, also zerkleinerten Ingwer als Brei auf ein Tuch legt, und dann auflegt. Das hat eine recht tiefgreifend durchwärmende Wirkung."3
+ Bei Osteoarthritis (Entzündung des Knochens) konnte ein Rückgang der Entzündung und der Schmerzen erreicht werden.
- Eine andere Studie5, die ebenfalls die schmerzlindernde Wirkung von Ingwer bei Osteoarthritis untersuchte, ergab keine eindeutigen Ergebnisse. Die Ursachen mögen Unterschiede in Dosis und Behandlungsdauer sein. Es scheinen sich also positive Eigenschaften anzudeuten, aber weitere klinischen Studien sind wohl für einen Beweis erforderlich.
+ Ingwer kann bei Patienten mit Typ-2 Diabetes eine positive Wirkung haben, wie etwa auf den Nüchternblutzuckerwert, den HbA1c-Wert, die Insulinsensitivität sowie die Insulinresistenz.
+ Eine Reduktion von Übergewicht kann durch Ingwer unterstützt werden, aber eher indirekt durch eine Reduktion des Hungergefühls.
"Eine verdauungsfördernde Wirkung ist dem Ingwer sicherlich zuzusprechen", sagt Prof. Huber.3 "Aber davon nimmt man nicht ab, sondern da verdaut man besser. Da sind die Speisen bekömmlicher, da hat man vielleicht weniger Blähungen, insgesamt fühlt man sich wohler. Aber Abnehmen hieße ja, etwas nicht aufzunehmen oder auszuscheiden oder einfach keinen Appetit zu haben, weniger zu essen oder den Stoffwechsel so stark anzukurbeln, dass wir mehr verbrennen. Und für keinen dieser Punkte ist bisher ein Nachweis erbracht worden."
+ Die Wirkung auf das respiratorische System (also unsere Atmung) konnte nachgewiesen werden. So verbesserte Ingwer asthmatische Symptome.
Zum Thema Erkältung erklärt Prof. Huber: "Beim Ingwer weiß man tatsächlich, dass er gegen Rhinoviren, also Schnupfenviren, eine gewisse Wirkung hat. Die ist zwar nicht ausgeprägt, aber mal beschrieben worden. Von daher ist es denkbar, dass Ingwer örtlich eine Wirkung hat."3
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ingwer in vielen Bereichen Wirkung zeigt und außerdem kaum Nebenwirkungen hat. Wenn überhaupt, kam es bei wenigen Teilnehmern der Studien zu Sodbrennen, in seltenen Fällen zu Durchfall und ab und zu wurde von Blähungen berichtet. Wichtig: Für die Behandlung von Erkrankungen sollten stets Ingwer-Präparate verwendet werden, die als Arzneimittel für das jeweilige Beschwerdebild zugelassen wurden. Da Ingwer aber außerdem für viele Menschen schmackhaft ist, ob als Tee, als Shot, als Gewürz in Suppen, Fleischgerichten oder auch in Kuchen oder Keksen, sollten wir nicht zögern, ihn in unseren täglichen Speiseplan mitaufzunehmen.